An einem schönen Spätsommertag machten sich acht Frauen der ökumenischen Frauengruppe Thalwil,
unter der Leitung vom Dora Müller und Heidi Hard nach St. Gallen auf, um den Spuren der Heiligen Wiborada zu folgen.
Wiborada wurde um 880 n.Chr. geboren und wuchs als Tochter einer vornehmen alemannischen Familie im nördlichen Thurgau auf. Zusammen mit ihrem Bruder Hitto, der in St. Gallen die Schule des Klosters besuchte, lernte sie die Psalmen auswendig, unternahm ein Wallfahrt zu den sieben Pilgerkirchen in Rom und pflegte dann ihre Eltern. Schon zu dieser Zeit führte sie ein asketisches Leben. Ab 912 lebte sie zur Probe als Reklusin zusammen mit zwei Dienerinnen in einer Zelle an der Georgskirche nahe St. Gallen, um sich auf das Leben als Reklusin vorzubereiten. 916 liess sie sich an Pfingsten endgültig von Bischof Salomon von Konstanz einschliessen in eine Zelle an der St. Mangenkirche in St. Gallen. Ihre Zelle wurde von vielen Menschen aufgesucht, denn Wiborada war eine hochgeschätzte Ratgeberin und Mahnerin. Vor dem Einfall der Ungaren in St. Gallen 926 gab sie den Rat, die Bibliothek des Klosters auf die Insel Reichenau auszulagern.So rettete sie die wertvolle Bibliothek von St. Gallen, die heute zum Weltkulturerbe zählt. Während die Mönche des Klosters und die BewohnerInnen sich in eine nahe Fluchtburg retteten, blieb Wiborada ihrem Gelübde als Reklusin treu und wurde von den Ungarn mit Streitäxten erschlagen. Um 965 wurde ihre Lebensgeschichte verfasst und 1047 wurde Wiborada als erste Frau im offiziellen römischen Verfahren durch Papst Clemens II. heiliggesprochen.
Bei der Kirche St. Mangen erfuhr die Gruppe etwas über die Zeit um 900 von St. Gallen und aus dem Leben der Wiborada. Beim Aufstieg zum Kloster Notkersegg diskutierten die Frauen über die Rolle von Frauen einst und heute und genossen beim Picknick die schöne Aussicht auf die Stadt und das Umland bis zum Bodensee. Vorbei an den drei Weihern gelangten sie nach St. Georgen, wo sie sich in der Wiboradakapelle in einer kurzen Andacht die Eigenschaften dieser Frau: Erkenntnis, Glaube und Mut vergegenwärtigten. Wiborada kann bis heute ein Vorbild für Frauen sein: äusserlich eingeschlossen, innerlich frei.
Mit diesen Gedanken machte sich die Frauengruppe an den Abstieg durch die Mülenenschlucht, vorbei an Wasserfällen der Steinach, geologisch interessanten Felswänden und alten Handwerkshäusern, zurück ins Zentrum von St. Gallen.
Heidi Hard