Sehr geehrte Damen und Herren
Gerne nehme ich aus Sicht der bischöflichen Baukommission Stellung zur geplanten Sanierung der Kirche St. Felix und Regula Thalwil.
Wer die Pfarrkirche St. Felix und Regula das erste Mal betritt, spürt, dass es sich um ein besonderes Gotteshaus handelt. Zwar ist die Kirche nicht so alt wie viele der reformierten Zürcher Kirchen, aber für katholische Verhältnisse im traditionell reformierten Kanton Zürich handelt es sich dennoch um ein altes, ehrwürdiges Gotteshaus. Am 17. Juni 1898 fand die Grundsteinlegung für den Bau der Kirche statt. Erbaut wurde sie vom lokalen Baumeister Rocco Perlatti nach Plänen des renommierten Architekten Johann Meyer (1820–1902) aus Luzern. Obwohl die Kirche mehrheitlich durch Spendengelder und mittels Unterstützung der Inländischen Mission errichtet wurde, achtete man dennoch bereits damals darauf, dass das Gotteshaus ehrwürdig und genug gross war für die immer zahlreicher werdenden Katholiken der ganzen Region, für die damals Thalwil zuständig war. Am 18. Juni 1899 wurde die Kirche St. Felix und Regula zu Ehren der Zürcher Stadtpatrone benediziert, auch das ein Zeichen für die Bedeutung dieses bis heute gottseidank wenigstens in seiner Bausubstanz weitgehend erhalten gebliebene Sakralbaus. Erst 1924 war wieder genug Geld vorhanden, um den Kirchturm zu errichten. 1952–1953 wurde die Kirche durch Architekt Joseph Steiner aus Schwyz renoviert und in ihrem Inneren neugestaltet. Hierbei ging – aus heutiger Sicht leider – auch einiges verloren, das den bisherigen Charme der Kirche mitgeprägt hat. Nach der öffentlich-rechtlichen Anerkennung der katholischen Körperschaft im Kanton Zürich konnte dann 1968–1969 das Pfarreizentrum dazu gebaut und die Kirche aussen renoviert werden. 1972 erfolgte die Umsetzung der Vorgaben des Zweiten Vatikanischen Konzils, wobei auch ein Volksaltar geweiht wurde. 1983 fand dann die zweite grosse Innensanierung der Kirche statt. Hierbei erhielt die Kirche auch die Metzler-Chororgel, 1985 wurde auf der Orgelempore dann die grosse Orgel aufgebaut. 1988 erfolgte die Renovation des Kirchturms, 1990 die Aussenrenovation von Pfarreizentrum und Kirche. 2010 schliesslich wurde das Pfarreizentrum durch einen Erweiterungsbau ergänzt. Erfahrungsgemäss müssen unsere Pfarrkirchen alle 40-50 Jahre von Grund auf saniert werden. Die Kirche St. Felix und Regula ist derzeit leider in keinem guten baulichen Zustand. Umso erfreulicher ist, dass die Kirchgemeinde das nun vorliegende Bauvorhaben umsichtig und unter Beiziehung namhafter Fachleute angegangen ist. Es liegt ein Projektvorschlag vor, der die Kirche St. Felix und Regula wieder zum Strahlen bringt – und dies im wortwörtlichen Sinn.
Zunächst wurde die Bausubstanz durchleuchtet. Die Zustandsanalyse des Büros Meier und Steinauer zeigt den baulichen Ist-Zustand auf und
unterbreitet der Bauherrschaft Vorschläge, welche baulichen Massnahmen vorgenommen werden müssen, was sinnvoll und was wünschenswert ist, um die in den letzten Jahrzehnten entstandenen Mängel zu beheben und das Gebäude für die kommenden Generationen wieder fit zu machen.
Der Projektvorschlag des renommierten Architekten und ETH-Professors Miroslav Šik schliesslich darf ruhig als Wurf bezeichnet werden! Mutig und umsichtig zugleich sind die Eingriffe, die die Kirche St. Felix und Regula aus ihrem Dornröschenschlaf wecken und neuem Glanz verhelfen sollen – etwas, das diesem ehrwürdigen und für Katholisch Zürich wirklich bedeutenden Gotteshaus auch gebührt.
Augenfällig sind v.a. zwei Massnahmen:
- Die Rückführung des Chors in seine ursprüngliche Raumwirkung und
- die kluge Lichtführung mittels grosser Leuchtkörper sowie Lamellen an den Glasfenstern.
Zum Chorraum: Dieser soll von den Einbauten aus den 1980er-Jahren befreit werden, sodass das Gotteshaus in seiner eigentlichen Grösse wieder wahrgenommen werden kann. Nicht zuletzt schenkt diese erste Massnahme der Gemeinde auch wieder viel Raum für eine würdige Liturgie.
Zur Lichtführung: Diese wird v.a. durch grosse Leuchtkörper ermöglicht. Unterschiedliche Lichtsituationen werden das Gotteshaus je nach Tageszeit und
Anlass – und insbesondere auch je nach Kirchenjahr – in ein je anderes Licht tauchen. Helles, festliches Licht z.B. bei Hochfesten, zurückgenommenes Licht in adventlichen Rorategottesdiensten – vieles wird möglich und lässt die Gottesdienstbesuchenden und Gäste den Raum St. Felix und Regula je unterschiedlich erleben.
Hervorzuheben ist ferner die klare Gliederung des Kirchenraumes in drei Bereiche:
Neben dem Chorbereich und dem eigentlichen Hauptraum für die Gottesdienstbesuchenden wird als Drittes der Eingangsbereich akzentuiert. Ein grosszügiger Windfang wird die Eintretenden freundlich empfangen. Die anderen beiden, links und rechts des Windfangs zu liegend kommenden Räume werden den veränderten Bedürfnissen unserer Zeit Rechnung tragen: Zum einen ein angemessenes Beichtzimmer, zum anderen eine Kapelle zu Ehren der Jungfrau und Gottesmutter Maria. Dass die Kirche St. Felix und Regula saniert werden muss, steht ausser Zweifel. Zu diskutieren geben sicherlich die mutigen Akzentuierungen, die Professor Miroslav Šik und sein Team der Kirchgemeinde vorschlagen. Die Idee der 1980er Jahre, den Chorraum mit einer kleineren Orgel vom Hauptraum abzutrennen, schuf während gut 40 Jahren einen zweiten Kirchenraum. Dies ging jedoch nur auf Kosten des eigentlichen Gotteshauses, denn die Chororgel mit den Habdankbildern verstellt letztlich die ursprüngliche und trotz aller Veränderungen erhalten gebliebene Architektur der ehrwürdigen Kirche. Dies schmälert nicht zuletzt die Gesamtwirkung dieses herausragenden katholischen Gotteshauses. Zwar sind die Habdankbilder als Kunstwerke ihrer Zeit aus kunsthistorischer Sicht interessant, aber sie haben letztlich mit der eigentlichen Architektur des mittlerweile über 120-jährigen Gotteshauses nur wenig zu tun. Sowohl die Chororgel als auch die Habdankbilder verfremden leider das Besondere, das Eigentliche der Kirche St. Felix und Regula. In ihrer langen Geschichte sind immer wieder Veränderungen vorgenommen worden; nur weniges von dem, was später hinzukam, konnte dem kritischen Blick späterer Generationen standhalten und wurde deshalb wieder entfernt. Umso schöner ist es, dass Miroslav Šik einiges von den Dingen der letzten Sanierung erhalten möchte – insbesondere den Volksaltar und die weiteren liturgischen Orte. Und nicht zuletzt soll auch Chorgestühl wieder sichtbar und ergänzt werden. Was Miroslav Šik und sein Team der Kirchgemeinde vorschlagen, zeugt von einer mutigen und doch feinfühligen Vision für die Kirche St. Felix und Regula – zur Ehre Gottes und zur Freude der Gläubigen – sowohl unserer heutigen Generation als auch derer, die nach uns kommen. Und dann noch dies: Viele junge Menschen fordern Nachhaltigkeit. Auch diesem Begehren wird die Sanierung gerecht. Denn die Chororgel hat einen neuen Standort im Südtirol gefunden – in einer Kirche notabene, deren Architektur auch den Habdankbildern besser gerecht werden kann als die altehrwürdige Architektur von St. Felix und Regula in Thalwil. Wen es schmerzt, die liebgewordene Orgel in andere Hände zu geben, kann vielleicht durch einen Blick in die Geschichte der Pfarrei Thalwil getröstet werden: So wie heute die Südtiroler Gemeinde von der Thalwiler Chororgel profitieren kann, durfte in den 1930er Jahren auch die damals arme Pfarrei Thalwil der reicheren Pfarrei Dietikon dankbar sein. Vor 90 Jahren nämlich spendeten die Dietiker ihre bisherigen Glocken der armen Gemeinde Thalwil. Auch damals gab es etliche Dietiker, die sich dagegen sträubten, etwas Liebgewonnenes weiterzugeben. Aber es kam, wie es kommen musste. Und so wie in den 1930er Jahren die Heimweh-geplagten Dietiker «ihre» Glocken in Thalwil besuchen und weiter läuten hören konnten, wird es ebenfalls schön sein, wenn einige Orgel- und Kunstfreunde aus der Pfarrei Thalwil in wenigen Jahren einen Ausflug ins Südtirol machen können, um dort ihre frühere Orgel und die Habdank-Bilder wiederzusehen und zu wissen, dass die Katholiken der dortigen Pfarrei den Thalwilern ebenso dankbar sind, wie dies seinerzeit in Thalwil gegenüber Dietikon gewesen ist. In Dietikon ist man über den Verlust der früheren Glocken bald hinweggekommen und möchte heute das als ehrwürdig und schön klingende Geläute von St. Agatha nicht mehr missen. Hoffen wir, dass man auch in Thalwil nach der Sanierung von St. Felix und Regula rasch über den Schmerz wegen der baulichen Eingriffe hinwegkommen kann und sich freut, wenn dann das Gotteshaus in neuem Glanz erstrahlt und der Blick auf die ursprüngliche Architektur wieder freigeworden ist. Der Bischof und die bischöfliche Baukommission begrüssen das Bauvorhaben der Kirchgemeinde Thalwil. Sie wünschen gutes Gelingen beim Bauvorhaben und freuen sich schon jetzt auf die Kirche, die bald wieder erstrahlen darf und hoffentlich über die Grenzen Thalwils hinaus die Blicke auf sich ziehen wird.
Markus Weber
Mitglied der bischöflichen Baukommission,
zuständig für den Kanton Zürich
Bülach, den 7. Mai 2021