Dieser Titel geht zurück auf die Stelle im Buch Esra 3,12: «Als nun vor ihren Augen das Fundament für den neuen Tempel gelegt wurde, weinten sie laut. Viele andere aber erhoben ihre Stimme in Jubel und Freude.» Man muss Abschied nehmen können, bevor man offen wird für Neues.
Es tut weh, wenn es Abschied nehmen heisst. Aber die Chororgel und die Habdankbilder sollten nicht sang- und klanglos einfach verschwinden. Auch die Wandteppiche gehören gewürdigt, bevor die Handwerker nach Ostern kommen und sie abhängen.
Es brauchte also eine eigene Feier. Und so stimmten wir uns am Sonntagnachmittag 27.3.22 ein mit dem Lied «Gott hat das erste Wort». Der Kirchenmusikdozent und Pfarrer von Richterswil Mario Pinggera versprach, dass jede Pfeife mit Handschuhen angefasst, einzeln und sorgfältig verpackt würden. Die Orgel sei wie ein Kind, das nun selbständig wird. Es gilt loszulassen. Zum Glück wird sie in Prad, seiner Heimatpfarrei, wieder zum Lob Gottes erklingen. Ihr «ganz eigener Sound», wie jemand es nannte, hat uns noch einmal in den Bann gezogen. Und sie bekam einen Reisesegen.
Die kunstvollen Wandteppiche sind nicht einfach Kirchenschmuck. Sie haben 36 Jahre lang zu uns gesprochen. Das, was an Herzblut in sie hineingelegt wurde, haben sie uns offenbart. Nun soll es in unserem Innern weiterwirken, so würdigte Sabine Zgraggen ihre Schönheit und Kraft.
Kurzvideo: Mario Pinggera Improvisation
Die Habdank Bilder haben wir eigens aufgeklappt. Heidi Ritzmann hat sie für uns erschlossen: im Zentrum die Emmausjünger und die Eucharistie, daneben je zwei Werke der Barmherzigkeit. Gottesdienst und Menschendienst, mit der Frage, wer hier eigentlich wem dient und wie alles zusammengehört.
Jenin Ovelil, Präsidentin vom Pfarreirat, verkündete die Geschichte der beiden Jünger, die verzweifelt und traurig aus Jerusalem flohen und sich auf den Weg nach Emmaus machten. «Herr bleibe bei uns, denn es will Abend werden. Und der Tag hat sich geneigt.» Erst eine neue Sicht der Dinge, als sie spüren, wer mit ihnen auf dem Weg ist, lässt die Trauer schwinden. Das zu verkosten half der gleichnamige Kanon.
Jemand hatte übrigens ein Plakat an die Chororgel geklebt mit dem Schriftzug «Herr, Jesus Christus, du wirst uns nun genommen…» – Er erinnert mich an Maria von Magdala, die am frühen Ostermorgen nur denken kann, man hätte ihre Herrn weggebracht und wissen will wohin, vgl. Johannesevangelium 20,15. Wer will sich erlauben, über ihren Schmerz und ihre Liebe zu urteilen?
Das Grab ist leer,
ja, aber tot ist er nicht,
nicht mehr.
Er zeigt sich mit seinen Wunden,
im Teilen des Brotes,
schenkt einen neuen Morgen.
Neuanfang, neue Freude und Lebenskraft.
Pfarrer Marius Kaiser lenkte unsern Blick zur Marienstatue und zum «Mariengruss». Er konnte trösten, da unsere schöne Maria eine eigene Kapelle bekommen wird. Wir sangen das Lied im Fünfachteltakt: Mädchen du in Israel, kleine Tochter Gottes.
Claudia Haltenberger lud ein zum Gebet mit eigens gestalteten Fürbitten und einem Vaterunser.
So können wir nur hoffen, dass der Psalmvers 126,5 auch in Thalwil in Erfüllung gehen wird: «Die mit Tränen säen, werden mit Jubel ernten.»
Selbstverständlich hatte die Chororgel das letzte Wort, und was für ein erschütterndes! Zur Stärkung gab es Speis und Trank für den weiteren Weg drüben im Saal. Herzlichen Dank an alle, die gekommen sind und an alle, die zum Gelingen des Anlasses beigetragen haben.
Fotos: Sabine Zgraggen
Text: Felix Zgraggen
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