ESC Finale
- Katholische Kirche Thalwil
- vor 4 Tagen
- 2 Min. Lesezeit
Trotz lautstarker Proteste und weltweiter Boykottaufrufe steht sie beim Eurovision Song Contest 2025 in Basel auf der Bühne: Yuval Raphael. Die junge Sängerin aus Israel überlebte schwer verletzt den Terroranschlag auf das Nova-Musikfestival im Oktober 2023 – nun singt sie im ESC-Finale. Ihr Lied „New Day Will Rise“ – Ein neuer Tag bricht an – ist mehr als ein musikalischer Beitrag. Es ist ein bewegender Ruf nach Hoffnung und Heilung. Der Song greift das biblische Hohelied auf, insbesondere den Vers aus Kapitel 8, Vers 7: „Viele Wasser können die Liebe nicht auslöschen, noch können Ströme sie wegspülen.“ Ein musikalisches Zeugnis der Liebe, die stärker ist als der Hass. Und ein Mahnmal gegen Gewalt – über politische und nationale Grenzen hinweg. Die Diskussion, warum Israel teilnehmen darf, während Russland als Aggressor ausgeschlossen ist, soll hier nicht vertieft werden. Im Saal jedenfalls hat die emotionale Kraft von Yuvals Auftritt die wenigen Buhrufe übertönt. Denn Hoffnung ist etwas, das alle Menschen brauchen.

Zugegeben: Der ESC hat unter Christen nicht den besten Ruf – zu schrill, zu bunt und wenig geistlich. Und doch lohnt sich ein zweiter Blick. Denn neben Pop, Glitzer und Ironie geht es auch um Themen, die tiefer greifen: Liebe, Identität, Spiritualität, Verletzlichkeit. Die polnische Künstlerin etwa nimmt die griechische Erdgöttin Gaia als Ausgangspunkt für eine Kritik an der gestörten Beziehung zwischen Mensch und Natur. Ihr Lied ist ein Appell zur Achtsamkeit – gegenüber sich selbst und der Schöpfung.
Klavdia, die griechische Sängerin, beeindruckt mit dem Lied „Asteromata“, einem musikalischen Gedenken an Flucht und Vertreibung. Inspiriert von der Geschichte der Pontosgriechen – christlichen Minderheiten, die Anfang des 20. Jahrhunderts verfolgt wurden und deren Genozid bis heute nicht anerkannt ist. Sie erzählt metaphorisch vom Dialog einer Mutter mit ihrem vermissten Kind. Ein Song, der Geschichte und Gegenwart miteinander verwebt.
England schickt mit „What The Hell Just Happened?“ das Trio Remember Monday ins Rennen – ein ironischer Kommentar zur Oberflächlichkeit des modernen Lebensgefühls. Ein paar Textzeilen sagen alles:
„Jemand hat einen Schuh verloren.
Ich trage immer noch das Make-up von gestern Abend.
Ich frage mich: Was ist das für ein neues Tattoo?“
Dazu kontrastiert der österreichische Beitrag „Wasted Love“: Johannes Pietsch inszeniert auf einem Pappboot im Sturm eine musikalische Gratwanderung zwischen Oper und Pop – dramatisch, verstörend, faszinierend:
„Ich bin ein Ozean der Liebe,
und du hast Angst vor Wasser.
Du willst nicht untergehen,
also lässt du mich untergehen.“

Musikalisch wie inszenatorisch ist der ESC 2025 vielfältiger denn je. Und neben schrillen Momenten glänzen auch stille Töne – wie der zurückhaltend schweizerische Beitrag „Voyage“ von Zoë Më, poetisch und ganz ohne Spektakel.

Doch das eigentliche Highlight, das auch außerhalb der ESC-Blase gefeiert wird, sind die beiden Moderatorinnen: Hazel Brugger und Sandra Studer. Ihr selbstironischer Song „Made in Switzerland“ geht viral – und wird scherzhaft bereits als neue Nationalhymne gehandelt: https://www.srf.ch/sendungen/eurovision-song-contest/made-in-switzerland-am-esc-sandra-studers-und-hazel-bruggers-schweiz-song-geht-viral. So darf man gespannt, wer sich am Samstag durchsetzen wird.
Text und Fotos: Sabine Zgraggen